"Ich bin Louise und etwas beschäftigt mich seit ein paar Wochen sehr. Nachdem mein Mann, unsere kleine Tochter und ich uns das letzte Jahr auf einer monatelange Dauerreise begeben haben, saß ich nach unserer Ankunft aus Indien bei meinem besten Freund und seinem Mann in Frankfurt am Küchentisch und holte mir Inspiration für mein mir nun wieder bevorstehendes Leben in Deutschland.
Und dann fiel eben auf einmal dieser Satz am Küchentisch: "Naja, aber man muss ja auch mal sagen, dass diese Reise, die ihr euch da geleistet habt, das war ja ein RIESENLUXUS!"
BUMM. Das hat mich irgendwie getroffen. Das muss ich ehrlich gesagt erstmal verarbeiten, denn da kommen gerade so viele Sachen zusammen, in eben nur diesem einen Satz.
Wir leisten uns Luxus! Reisen ist Luxus! Ihr habt viel Geld (noch nie gehabt!) und verplempert es für Luxus??? Oder auch: weil ihr euch Reiseluxus geleistet habt, kommt ihr jetzt wieder zurück nach Deutschland und müsst euch alles wieder aufbauen.
MOMENT MAL! Darüber müssen wir wirklich mal reden, denn nun, wo das raus ist, habe ich das Gefühl, dass vielleicht noch andere Menschen so darüber denken. Und dazu möchte ich gern mal etwas klarstellen.
Warum reisen eigentlich so viele Menschen und warum wollen die, die (noch) nicht reisen, das so gerne tun? Warum gibt es so viele Reiseblogs, warum wird das Reisen als so große Faszination angepriesen, warum begeistert es Menschen?
Auf Facebook wird um die Wette gepostet. "London, ich komme!" oder "Übers Wochenende in Stockholm, wer noch?", heißt es da regelmäßig zwischen allen anderen Posts. Und manche fragen sich - wohl auch zu recht - ob das ein Wettlauf sein soll.
Von etwas bin ich absolut überzeugt, ja, ich glaube, es zu wissen, und das möchte ich dir hier gleich mal am Anfang zuflüstern. Wie gesagt, ich bin nicht religiös und auch nicht esoterisch oder so, aber ich weiß es aus meinem eigenen Leben: wer reisen möchte und sich das aus seinem tiefsten Herzen wünscht, dem wird es geschenkt. Warscheinlich ist es mit vielen Dingen so, aber beim Reisen hat sich der Wunsch für mich immer wieder erfüllt und ich sehe es an so vielen Menschen um mich herum. Meine Eltern sind mit uns, nach heutigen Maßstäben, mehr oder weniger gar nicht gereist. Als ich dann nach Frankfurt gezogen bin, habe ich mir tief und innig gewünscht, die Möglichkeit zum Reisen zu bekommen – und es hat geklappt. Es klappt jetzt auch immer wieder.
Ich glaube, dass das Reisen einfach ganz tief im Menschen verankert ist. Wir waren schon immer Nomaden, die in Bewegung sind und von Ort zu Ort ziehen. Und ich glaube auch, dass es nicht nur die Suche nach Nahrung, wie es immer so schön mit dem Bild der Steinzeitmenschen in Verbindung gebracht wird, ist. Die Suche nach den Paradiesen, der Schönheit der Erde, ist bestimmt auch ein wesentlicher Teil, ein Grundbedürfnis von uns allen. Ich kenne niemanden, der beim Anblick eines Bergpanoramas oder dem weiten Meer nicht ins schwelgen, zum innehalten kommt. Es ist die tiefe Urnatur, die uns alles vergessen lässt, aus der wir kommen, zu der wir uns zurück sehnen. Und alle Bioeinkäufe und Balkonpflanzaktionen haben doch eigentlich schon damit zu tun.
Für mich bedeutet reisen einfach die ideale Mischung zwischen in Bewegung sein und an einem Ort verweilen. Ich mag es, in Bewegung zu sein und mich dann aber zur Entspannung wieder mal an einem Ort niederzulassen. Früher bin ich nie ohne einen Grund verreist, das heißt ich war immer beruflich (also durch die Musik) unterwegs und musste daher auch nie besonders viel Geld dafür ausgeben. Mittlerweile suche ich mir beim reisen meine eigenen Themen und erforsche, was mich interessiert. Und besonders mit Familie bzw. Kind habe ich nun auch die eine oder andere Mehrausgabe. Aber auch das lässt sich ohne ein großes Vermögen finanzieren und wenn du wissen möchtest, wie wir das bisher gemacht haben, kann ich dir meine Ideen und Gedanken zu allem, was mit Geld zu tun hat, ans Herz legen.
In den acht Monaten, die wir unterwegs waren, haben wir im Durchschnitt zu dritt einen Tausender pro Monat verbraucht. Und da war alles drin, auch die Flüge. Und nun nennt mir mal die Kosten, die eine dreiköpfige Familie in acht Monaten in Deutschland hat. Und: für unsere Reise haben wir z.B. unsere (alte) Wohnung komplett aufgelöst. Wir haben alles, was nicht zu persönlichen Erinnerungen und Wertstückchen zählt, verkauft und verschenkt.
Das heißt, wir haben uns ganz bewusst von materiellem Luxus dieser Form getrennt, ihn eingetauscht in etwas anderes. Andere nennen das nun Reiseluxus, für mich ist es eine Form von Freiheit, etwas ideelles. Ich investiere mein Geld eben lieber in unsichtbare Sachen wie Bildung, Reisen und alles, was sich in meiner Persönlichkeit(sentwicklung) auszahlt. Dazu kommt auch: mein Mann und ich gehören nicht zu den Gutverdienern. Als Freiberufler haben wir nie ein gleichbleibendes monatliches Einkommen, von dem wir uns ein Drittel auf die hohe Kante legen können. Durch unseren Lebensstil ermöglichen wir uns aber trotzdem, Geld fürs Reisen zur Seite zu tun, dafür verzichten wir bewusst und liebend gern auf andere Sachen, die unsereiner wiederum für unnötig oder sinnlosen Luxus hält.
Alle Reisen, die ich bisher unternommen habe, sind für mich mit ganz besonderen Erinnerungen verbunden und fast zu jeder Reise gibt es ein Fotoalbum (zugegeben, die letzten Alben stehen noch aus, ich muss endlich erstmal die Unmengen Fotos auf den Speicherkarten sortieren!). Das Reisen hat mich zudem einige Dinge gelehrt, die ich hier mit dir teilen möchte.
Dein Päckchen kommt immer mit dir mit, überall hin.
Egal, was du machst. Egal, wo in deinem Leben du gerade stehst. Egal, wie gut oder schlecht es dir gerade geht. Eine Reise wird das nicht ändern. Aber: eine Reise kann der Schlüssel sein, um dich innerlich zu befreien und von altem zu lösen. Beim reisen erfahre ich jedes Mal so viel Inspiration und allein die Begegnungen, die ich dabei habe, bringen mich immer wieder ein Stückchen näher zu mir selbst. Böse Zungen werfen uns Reisenden oft vor, dass wir nur flüchten würden und dass flüchten keine Lösung sei. Ich glaube, da kommt vieles zusammen. Zum einen ist es Neid. Zum anderen haben sie Recht – ich flüchte z.B. definitiv vor dem kalten Wetter - sorry, Winter war einfach noch nie was für mich! Doch Reisen kann einfach auch anstecken und zum natürlichen Bedürfnis wie Yoga oder gesunde Ernährung werden. Wer es gewöhnt ist, zu Hause zu sitzen, dem fehlt vielleicht auch nichts. Und die, die es gewöhnt sind, immer mal wieder auszubüchsen, brauchen das genauso für sich, um im Gleichgewicht zu bleiben.
Die Antwort kennst nur du selbst.
Reisen setzt bei mir jedes Mal viele innerliche Prozesse in Gang. Wenn sich mein Budget dem Ende neigt, frage ich mich, wie es weiter gehen soll und stelle Überlegungen an, wie ich diesen Lebensstil unendlich weiterführen kann. Was ist mir wichtig, wie kann ich (mir) das ermöglichen, was brauche ich dazu, was habe ich schon, was macht mich glücklich, warum bin ich gerade so fröhlich und frei?
Alles verändert sich und Dinge geschehen, wenn du sie nicht erwartest.
Ich lasse die Sehenswürdigkeiten komplett aus. Wer hat nicht ein Bild von sich vor dem schiefen Turm von Pisa oder ein Selfie vom Empire State Building (okay, davon habe ich auch eins...)? Ganz ehrlich, davon gibt es doch schon genug. Warum klappern immer alle die schon längst abgetrampelten Pfade ab, anstatt sich ins unbekannte zu wagen und wirklich neues zu entdecken? Mir persönlich ist es wirklich wichtig, meine Augen und Ohren für alle Begegnungen, Situationen und Momente zu öffnen, weil ich weiß, dass sie mein Leben unter Umständen auf unerwartete Weise verändern können! Und dafür lasse ich mir gern alles offen und lasse mich treiben – auch an allen bekannten Highlights vorbei!
Ich muss niemandem etwas beweisen.
Weiter, höher, öfter, ausgefallener – sei es die Anzahl der Reisen, der Marathon an Sehenswürdigkeiten oder das Land mit der weitesten Entfernung. Ich bin unterwegs, um neues zu sehen und mich frei zu machen. Auch in der Stadt, in der ich wohne, unterwegs mit dem Fahrrad. Es geht um mich, mein Leben und darum, dass ich glücklich bin. Egoismus pur! Oder eben Selbstliebe, die Basis für wärmste Nächstenliebe. Denn nur dann kann ich das mit allen um mich herum teilen, scheinen, leuchten, geben, helfen. Und dafür muss ich niemandem etwas beweisen – mir selbst übrigens auch nicht.
Reisen und das Leben brauchen Zeit.
Ich reise gern lange. Oder länger als nur einen begrenzten Zeitraum. Einmal unterwegs bin ich so schnell drin im Reiseflow, dass es mir schwer fällt, nur wegen einem Preis oder einem Ticket nun wieder umzukehren. Reisen und leben sind für mich das gleiche, beides braucht Zeit, beides ist Zeit. Also eine Illusion. Du lebst im Hier und Jetzt! Deshalb lasse ich mir dabei immer Zeit!
Für unser Kind war das Reisen bisher ein unglaublicher Gewinn, doch dazu verfasse ich wohl noch einmal einen Extraartikel, das würde hier nun den Rahmen sprengen.
Nun würde mich aber mal interessieren - warum reist DU eigentlich?Was ist deine Motivation bzw. was treibt dich an, deinen Platz zu verlassen und hinaus in die Welt zu ziehen? Auf deine Antwort bin ich sehr gespannt!
PS: Mehr über Louise gibt es HIER
Tags: Reisen, Fernweh, Luxus, Leben mit Kindern0Gastbeiträge