Vor einiger Zeit hattet Ihr einen Gastbeitrag von Conny, die berichtete, dass sie nach der Geburt ihres Kindes wieder arbeiten ging, während ihr Mann zuhause blieb. "Cool," dachte ich, "Du bist ja doch nicht allein." Bis ich zu dem Punkt kam, an dem Conny erzählte, dass sie nach einem Jahr Elternzeit wieder einstieg. Da kam ich dann auf die Idee, Euch unsere Geschichte zu erzählen. Ich habe nämlich komplett auf die Elternzeit verzichtet...
Als ich schwanger wurde, hatte mein Mann gerade den Sprung in die Selbständigkeit gewagt. Ich selbst hatte erst einige Monate zuvor den Job gewechselt und übernahm das Marketing für einen mittelständischen Betrieb in der Metallverarbeitung. Der Job war von vornherein "nur" auf Teilzeit ausgelegt, deshalb habe ich ihn vorausschauend genommen.
Wir hatten also schon vor der Schwangerschaft geplant, dass der Papa zuhause bleiben wird, weil er als freiberuflicher Grafiker und Marketingberater im Homeoffice saß. Termine könnte er so auf Nachmittags legen, wenn ich wieder zuhause bin. Trotzdem hatten wir beide nicht damit gerechnet, dass ich doch sooo schnell schwanger wurde.
Glücklicherweise war einer der beiden Geschäftsführer gerade selbst in Elternzeit, so hatte ich in ihm einen verständnisvollen Vorgesetzten und Gesprächspartner, der mich voll unterstützt hat. Das Angebot, nach dem Mutterschutz direkt wieder einzusteigen, war für meinen direkten Vorgesetzten ein Glücksfall. Auch der andere Geschäftsführer fand es gut - auch, wenn er es ungewöhnlich fand, weil er das so von seiner Frau nicht kannte.
Der Grund, warum ich auf die Elternzeit verzichte (in Gedanken hörte ich einige Mütter verzweifelt aufschreien, warum ich mir das antat), war ebenso profan wie logisch. Ich hatte einen gutbezahlten und sicheren Job in einem tarifgebundenen Unternehmen. Und ich wollte meinen Mann in seiner Selbständigkeit unterstützen, indem ich die Fixkosten reinholte. Und mein Mann war in der Kinderbetreuung sogar erfahrener als ich - er hat er schon zwei Kinder aus erster Ehe.
Ich habe bis zum Beginn des gesetzlichen Mutterschutzes gearbeitet und bin nach den geforderten acht Wochen nach der Geburt direkt wieder eingestiegen. Da ich nicht lange stillen konnte, stellte uns auch das vor keinerlei Probleme. An den Vormittagen hat mein Mann sich wunderbar um unsere Tochter und um den Haushalt gekümmert, nachmittags hat er gearbeitet und ich habe mich um Kind und Haus gekümmert. Diese Form einer 50/50 Regelung habe ich in meinem Umfeld noch nicht erlebt.
Nach etwa einem Jahr nahm mein Mann ein Angebot eines Bekannten an, ihn in dessen Start-Up zu unterstützen. Allerdings unter der Voraussetzung, dass er vormittags weiterhin zuhause unsere Tochter betreuen kann. Das war kein Problem, denn glücklicherweise waren auch hier waren die Männer alle modern eingestellt und verständnisvoll.
Kurz nach Töchterchens zweitem Geburtstag nahm mein Mann schließlich ein Jobangebot als Marketingleiter an. Warum ausgerechnet da? Das Angebot war zu gut, um es abzulehnen und unsere Tochter war von sich aus so weit, dass sie die Gesellschaft anderer Kinder um sich brauchte. Also mussten wir kein schlechtes Gewissen haben, sie in Fremdbetreuung zu geben. Allerdings entschieden wir uns gegen den Kindergarten und für eine Tagesmutter, um den Einstieg für die Kleine nicht so schwer zu machen. Wir empfanden es als angenehmer, sie erst nur mit wenigen Kindern interagieren zu lassen, als sie direkt in eine Gruppe mit 15, 20 anderen Kindern zu schicken.
Und es war die beste Idee, die wir hatten. Die Tagesmutter war ein reiner Glücksfall. Neben den zwei anderen Tageskindern freundete unsere Tochter sich noch mit den eigenen beiden Kindern der Tagesmutter an, die Freundschaft besteht bis heute.
Als unser Kind dann in den Kindergarten wechselte, habe ich kurz darauf selbst den Job gewechselt. In meiner alten Firma hatte ich keine Perspektive nach oben mehr, eine Aufstockung der Stunden war dem Geschäftsleiter zu teuer. Ich wollte aber gern mehr als 25 Stunden arbeiten. Jetzt bin ich bei 30 und zufrieden.
Das Verhältnis zwischen meiner Tochter und mir ist sehr innig, obwohl ich immer erst ab mittags da war. Ich habe auch aus meinem Umfeld kaum kritische Kommentare erhalten. Unsere Freunde kennen uns und konnten unsere Beweggründe nachvollziehen. Sie sind begeistert von der Aussage meines Mannes, sich ebenso gut und gern um unser Kind kümmern zu können.
Und nein, er ist kein “Weichei“ oder „metrosexueller Hipster“. Mein Mann hat bereits zwei Kinder aus einer ersten Ehe, die auch regelmäßig bei uns sind. Einer seiner Gründe zuhause zu bleiben war auch, dass er in der Zeit, als die beiden Älteren noch so klein waren, so viel verpasst hat, weil er arbeitsbedingt nie zuhause war, das wollte er einfach nicht noch mal wiederholen.
Und unsere Tochter findet es toll. Sie hat von Mama und Papa gleich viel mitbekommen. Beide haben ihre ersten Schritte erlebt, beide haben sich um die 3-Monatskoliken und das Zahnen gekümmert.
Ich würde mir wünschen, wenn ich in den Zeitungen wieder lese, man solle den Müttern ermöglichen, schneller wieder in den Job zu kommen, dass man den Vätern auch ermöglicht, sich in gleichem Maße um die Kinder zu kümmern, wie die Mutter. Mir ist bewusst, dass das nicht überall so einfach funktioniert wie bei uns, da der finanzielle Aspekt oft ein sehr großer ist, aber ich denke, es kann ein Anfang sein.
Ich bin froh, dass wir es gemeinsam so gemeistert haben. Ich würde es jederzeit wieder so machen.
Tags: Job, Arbeit, Gleichberechtigung, Liebe, Geburt, Teilzeit, Vereinbarkeit0Gastbeiträge