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Wunschkaiserschnitt: Warum ich mir nicht vorstellen konnte, mein Baby natürlich zu bekommen

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Liebe Marlen, erzähl erstmal, wer zu Deiner Familie gehört. 
 
Wir sind zu viert, mein Mann Paul, die Kinder Karl (6), Luise (4) und ich. 
 
Du hast uns geschrieben, dass Du mir 21 schwanger geworden bist und dass diese Geburt ein geplanter Wunschkaiserschnitt war. Wie sah Dein Leben zu dem Zeitpunkt aus? 
 
Mein Leben verlief endlich in geregelten Bahnen. Ich hatte meine Ausbildung mit Auszeichnung bestanden und direkt in einem tollen, jungen Unternehmen einen Job bekommen. Ich bin von Zuhause ausgezogen und hatte endlich eine eigene Bude mit pinken Wänden, so wie ich es immer haben wollte.
Paul lernte ich im Internet kennen, es war Liebe auf den ersten Blick. Wir waren seit unserem ersten Date unzertrennlich und nach 4 Wochen zog ich bei ihm ein. Dann kam die Beförderung, ich war noch nie so glücklich.
Kinder wollte ich nicht unbedingt, ich habe es nie komplett ausgeschlossen, aber ich war mir sicher, dass ich auch ohne Kinder glücklich sein könnte. Und dann blieb meine Periode aus. Karl war nicht geplant. Wir kannten uns gerade 3 Monate, als ich den positiven Test in der Hand hielt...
 
Wie hast Du die körperlichen Veränderungen während der Schwangerschaft wahrgenommen?
 
Meine Schwangerschaft war die ersten 4 Monate von heftiger Übelkeit überschattet , ich habe stark zugenommen und habe sehr mit mir gekämpft. Ich hatte Wassereinlagerungen und durfte nicht mehr arbeiten gehen.
 
Wie und wann hast Du Dich entschieden, dass Du keine vaginale Geburt haben möchtest? 
 
Es war einer meiner ersten Gedanken nach dem positiven Test. Ich dachte: "Scheiße, wie kriege ich das Baby aus mir raus? Ich schaffe das nicht auf normalen Weg. Ich kann das nicht. Ich will das nicht." Ich habe geweint, tagelang. Ich hatte Angst meinem Frauenarzt davon erzählen. Ich habe mich auch schuldig gefühlt. Ich dachte auch, dass ich meinem Kind mit einem Kaiserschnitt schaden könnte. Ich wusste: Ich bin bereit Mama zu sein, aber ich wusste auch, dass ich nicht bereit war, ein Baby aus mir rauszupressen. Ich konnte es einfach nicht.
 
Was hat Dich am meisten von einer natürlichen Geburt abgeschreckt?
 
Es war die Mischung aus Geburtschmerzen, dem Anblick des verschmierten Babys, der Ungewissheit, wann wird es losgehen wird und ob alles gut gehen wird. Ich hatte kein Vertrauen in mich und meinen Körper.
 
Wie hat Dein Umfeld auf Deine Entscheidung reagiert?
 
Meine Eltern waren kurz erschrocken, aber sie merkten schnell, dass es mir ernst war und dass es keine Modeerscheinung war. Sie haben mich dann sehr unterstützt. Mein Mann war sehr neutral und wollte nur, dass es mir und uns gut geht. Vor dem Rest der Familie habe ich es verschwiegen oder gesagt, es sei medizinisch notwendig. Meine Gyn war sehr locker, sie überwies mich in ein Krankenhaus, von dem sie wusste, dass dort auch Wunschkaiserschnitte durchgeführt werden. Da hatte ich großes Glück. 
 
Wie hast Du den Kaiserschnitt dann erlebt?
 
Der Kaiserschnitt war ein Alptraum. Es war eine große Uniklinik, aber gefühlt war es ein Schlachthaus. Der Chirurg kam in den OP-Saal und begrüßte mich mit den Worten: "Sectio 1, Beginn 8:24"  Danach sagte er kein einziges Wort. Ich habe geweint, ich hatte Angst, ich habe die Narkose nicht vertragen, musste mich übergeben und bin letztendlich kollabiert und musste intenivmedizinisch behandelt werden. Meinen Sohn habe ich nur kurz im Vorbeigehen gesehen. Keine Umarmung, kein Bonding. Er war einfach weg. Ich wurde vernäht und der Chirurg verließ wortlos den OP. Meinen Sohn habe ich erst etwa eine Stunde später gesehen. Gott sei Dank ist mein Mann dem Baby aus dem OP gefolgt , so war es nicht alleine.
 
Wir haben schon oft von Kaiserschnitt-Müttern gehört, dass sie Angst hatten, ihnen könnte die Bindung zum Baby fehlen, wenn sie es nicht unter Schmerzen gebähren. Hattest Du auch davor Angst?
 
Nein, davor hatte ich nie Angst. Ich habe meine Schatz in meinem Bauch getragen. Er weiß wer ich bin , dazu braucht es aus meiner Sicht keine natürliche Geburt.
 
Wie war die Zeit nach der Geburt? Klappte das Stillen problemlos?
 
Die Zeit nach der Geburt war sehr schwierig. Die Narbe war nicht gut vernäht, nach acht Tagen habe ich mir die Fäden selbst gezogen, da es sich wahnsinnig entzündet hatte. Gestillt habe ich nicht. 
 
Hast Du je doofe Kommentare wegen des Kaiserschnittes bekommen?
 
Jain. Nach der schrecklichen Geburt und den Komplikationen gab es viele altkluge Sprüche a la: "Wir haben es ja vorher gesagt." Oder: "Na ja jetzt hast du den Salat." Das hat weh getan und ich habe geglaubt, dass sie recht haben. Ich habe eine Depression bekommen
 
Hast Du manchmal das Gefühl, ein Kaiserschnitt ist eine Geburt zweiter Klasse?
 
Ich glaube, die Gesellschaft sieht das manchmal. Und manche Frauen glauben, dass sie die "besseren" Mamas sind, wenn sie eine natürliche Geburt geschafft haben, Ich glaube das nicht (mehr).
 
Was möchtest Du anderen Frauen sagen, die ebenfalls an einen Wunsch-Kaiserschnitt denken, sich aber noch nicht sicher sind?
 
Das Wichtigste ist, dass ihr eure Schwangerschaft nicht durch die Angst bestimmen lasst. Trefft die Entscheidung, die für EUCH die Beste ist. Für Dich und Dein Baby. Für niemanden sonst! Auch das gehört für mich zu einer guten Mama: Dass man sich auch eingestehen kann, dass man etwas nicht durchstehen kann, dass man Ängste hat, die vielleicht irrational sind, aber es sind eure Ängste. Punkt.
Übrigens habe ich mein zweites Kind auch per Kaiserschnitt zur Welt gebracht. Damals wurde mir die Entscheidung aber abgenommen, weil ein Kaiserschnitt medizinisch notwendig war. Dieser KS in einer kleinen ländlichen Klinik war wirklich eine schöne Geburt. Ich hatte liebevolle Chirurgin, eine tolle Hebamme und ich durfte meine Tochter sofort halten. Das war für mich eine vollwertige, wunderschöne Geburt.
 
Foto: Pixabay
Tags: Geburt, Kaiserschnitt, OP, Angst, Krankenhaus, Baby, Eingriff, Wunschkaiserschnitt0Interviews

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