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Organspende: Dankbar für jeden Monat, den Gustav ohne Leber-Transplantation schafft

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Ihr Lieben, heute entscheidet der Bundestag, ob die Gesetzgebung in Deutschland bezüglich der Organspende geändert wird. Bisher musste man sich aktiv für eine Organspende entscheiden - heute geht es um die Widerspruchsregelung. Das würde bedeuten, dass Organe automatisch nach dem Tod gespendet würden - außer man widerspricht dem ganz bewusst.

Ein Thema, das viele Menschen emotional berührt. So auch Agneta, deren Sohn vielleicht eine neue Leber braucht. Wir haben ein Interview mit ihr geführt: 

Liebe Agneta, Dein Sohn hat eine seltene Lebererkrankung. Woran genau leidet er und welche Einschränkungen hat er?

Gustav leidet an einer Gallengangatresie, einer seltener Lebererkrankung mit Verschluss der Gallenwege. Die Ursache ist noch ungeklärt. Einschränkungen hat er aktuell nicht allzu viele im Alltag, aber er ist infektanfälliger (2018 waren wir dreimal wegen "harmlosen" viralen Infekten im Krankenhaus, weil sich diese dann auf Leber gelegt haben und er medikamentös behandelt werden musste).

Ich denke, seine Infektanfälligkeit liegt auch daran, dass er zweimal am Tag ein Dauerantibiotikum nehmen muss. 

Wann ist Euch das erste Mal aufgefallen, dass etwas nicht stimmt?

Ca. 1,5 Wochen nach seiner Geburt ist sein Gewicht stagniert und er hatte von Anfang an einen "komischen" Stuhlgang - nicht so kräftig ockergelb, wie man das bei vollgestillten Kindern kennt. Sondern viel heller (das ist ein ganz typisches Symptom dieser Krankheit, "entfärbter Stuhlgang").

Nach 2,5 Wochen bin ich mit ihm zu meiner Kinderärztin, die aber auch erstmal nichts auffällig fand und nur auf mein Bitten hin Blut abgenommen hat. Die Ergebnisse waren ziemlich niederschmetternd, alle Leberwerte waren völlig entgleist und leider konnte sie uns da am Telefon auch gar nichts erklären oder uns beruhigen.

Wie lange hat es gedauert, bis Ihr eine Diagnose hattet und was waren die Prognosen von den Ärzten?

Am nächsten Tag sind wir stationär in die nächste Kinderklinik. Dort wurde relativ schnell die Diagnose Gallengangatresie ausgesprochen, aber ganz sicher waren die Ärzte nicht. Da wir am Freitag in die Klinik kamen, passierte über das Wochenende erstmal nichts.

Am Montag wurden wir dann in die nächste Uniklinik verlegt. Dort wurde dann zwei Tage später eine ERCP in Vollnarkose gemacht. Mit dieser Untersuchung kann man eine Gallengangatresie diagnostizieren, was sich bei Gustav dann auch bestätigte.

Fünf Tage später - da war Gustav gerade mal 29 Tagen alt - wurde er fünf Stunden lang operiert. Aus einem Stück seines Darms wurde der neue Gallengang. 

Anfangs hat man uns relativ wenig Hoffnung gemacht, dass Kinder mit dieser Erkrankung lange mit der eigenen Leber leben können und während unserer stationären Aufenthalte habe ich auch einige Familien kennengelernt, deren Kinder schon vor dem ersten Geburtstag transplantiert worden sind.

Durch viel Eigenrecherche haben wir aber auch herausgefunden, dass es eben doch Kinder gibt, die im Grundschulalter sind und immer noch die eigene Leber haben. Das machte uns dann Mut. 

Wie hat diese Diagnose Euer Familienleben verändert? 

Die ersten Monate nach Gustavs Geburt waren hart. Erst die Sorgen bis zur Diagnose und dann waren wir immer wieder im Krankenhaus. Insgesamt waren wir über sechs Wochen vom Rest der Familie - also meinem Mann und meinem damals fünfjährigen Sohn - getrennt.

Es gab kein normales Wochenbett, kein gemütliches Kennenlernen zu viert - und auch, als wir endlich zu Hause waren, herrschte immer eine gewisse Anspannung. Zum Glück war unser großer Sohn Johann schon "so alt" und wir konnten ihm besser erklären, was da los ist und er hat es wirklich super gemeistert.

Nach und nach ist etwas Ruhe eingekehrt, 2019 waren wir nochmal drei Wochen im Krankenhaus. Das ist nicht schön, aber aufgrund meines guten sozialen Umfeldes machbar. 

Es kann aber sein, dass Gustav eine neue Leber braucht. Wie hoch die Chance auf ein Organ?

Ja, das kann sein. Er ist auf der Eurotransplantationsliste gelistet, aber in einem passiven Status. Das heißt: Er sammelt Punkte und wenn er auf "aktiv" umgeschaltet wird, ist er relativ weit oben auf der Liste und bekommt dann hoffentlich schneller ein Organ.

Bei der Leber ist es allerdings so, dass man als Erwachsener eine Lebendteilspende machen kann. Wir als Eltern haben die passende Blutgruppe, müssen aber noch aufwendig durchgecheckt, werden ob wir auch wirklich geeignet sind. Dann würde uns ein Teil der Leber entnommen werden, das Gustav dann eingepflanzt wird. Bei uns wächst die Leber dann nach.

Die Erkrankung deines Sohnes hat sicher Eure Sicht auf das Thema Organspende verändert. Wie ist deine Meinung dazu?

Ich hab schon seit zwölf Jahren einen Organspendeausweis. Bin aber schon immer der Meinung: Wenn man schon sterben muss und man sich für eine Organspende eignet - dann kann man doch was Gutes tun und seine Organe spenden - anstatt sie mit ins Grab zu nehmen.

Durch unsere Geschichte haben sich nun auch viele Freunde und Bekannte mit dem Thema auseinandergesetzt - was ich gut finde. Ich persönlich bin auf jeden Fall für die Widerspruchslösung und hoffe, dass diese nun auch beschlossen wird. 

Wie geht Dein Sohn mit all dem um?

Gustav ist zum Glück ein kleiner Sonnenschein und bringt uns alle immer wieder zum Lachen. Er nimmt zweimal täglich wie selbstverständlich seine Medikamente ein. Wenn wir aber in die Uniklinik fahren, weiß er mittlerweile schon immer, dass er dort gepiekst wird und das findet er natürlich nicht so toll.

Im Großen und Ganzen sind wir gerade super happy wie gut es ihm geht und dankbar für jeden Monat, den wir ohne Transplantation schaffen.

Was wünscht Du Dir für 2020?

Für 2020 wünsch ich mir, dass Gustavs Zustand weiterhin so stabil bleibt. Und natürlich Gesundheit für den Rest der Familie und unsere Freunde. Und es wäre so toll, wenn unser Sommerurlaub klappt.  

 

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