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Gastbeitrag: So ist mein Leben als Wheelymum

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Ihr Lieben, immer wieder haben wir das große Glück, dass tolle Mamas Gastbeiträge bei uns schreiben. So auch heute. Ju ist eine wheelymum, also eine Mama im Rollstuhl, und erzählt uns heute von ihrem Leben. Vielen Dank für diesen Text!!!!

"Ich bin eine Mama. Eine Mama eines 2-jährigen Sohnes. Ich dachte, ich würde auch gerne einmal bloggen. Warum das denn? Es gibt doch schon so viele Elternblogs. 
Natürlich gibt es die - und jeder hat seine Berechtigung. Denn jeder schreibt aus seinem Leben, seine Erfahrungen und von seinen Kindern.

Mein Blog soll sich aber etwas von den anderen unterscheiden. Denn ich unterscheide mich von anderen Eltern. Ich bin eine wheelymum.

Das bedeutet, dass ich auf Grund einer neurologischen Erkrankung zu großen Teilen auf den Rollstuhl angewiesen bin. Teilweise kann ich in der Wohnung noch mit Unterarmstützen gehen, außer Haus benötige ich aber immer einen Rollstuhl. 
Ja, ich bin behindert. Und ich war bereits behindert, als ich schwanger wurde.

Ich musste mit etlichen Vorurteilen kämpfen. Vor allem fühlte ich mich alleine, bis auf meine Familie.
Eine Schwangerschaft ist eine große Veränderung für jede Frau – für jede Familie. Bei jeder Schwangerschaft gibt es viele offene Fragen. Bei meiner Schwangerschaft gab es aber kaum Ansprechpartner. Wir mussten uns – fast alleine – durchkämpfen. Gerne hätte ich mich, vor allem mit anderen behinderten Eltern, ausgetauscht. Ich habe aber kein geeignetes Forum gefunden. Nach fast 3 Jahren, habe ich nun den Entschluss gefasst, nicht mehr nur zu jammern, sondern einfach selbst so einen Platz zu bieten. Und nun blogge über mein Leben mit einer chronischer Krankheit, Gehbehinderung und Schmerzen. 


Ich blogge auch über unser Leben als Familie. Als Mama, Papa und Sohn mit Besonderheiten. 
Nicht nur anderen behinderten Eltern möchte ich eine Austauschmöglichkeit bieten, ich möchte auch überhaupt auf uns behinderte Eltern aufmerksam machen. Es gibt uns. Wir sind da. Auch wenn wir kaum gesehen werden. Wir lieben unsere Kinder wie ihr alle. Und wir wollen nur das Beste für sie. Selbstverständlich gibt es bei uns auch immer wieder Schwierigkeiten. Manche sind anders als bei Euch, andere sind einfach die Selben.

Meine Familie und ich wollen ein Teil der Gesellschaft sein und mussten dafür einige Hürden nehmen. Böse Blicke und Sticheleien überhören wir. Rechtfertigungen und Vorurteile waren an der Tagesordnung. Denn es gibt sie immer noch. Die Meinung, dass behinderte Menschen weniger wert sind. Oder das körperliche Behinderung mit geistiger Behinderung gleichgesetzt wird. Vor allem aber, dass ich meinem Kind zu viel zumute, oder ihn in Gefahrensituationen nicht schützen kann.

In meinen 2 Jahren als Mama ist dies, Gott sei Dank, noch nicht passiert. Ich schätze Gefahren anders ein. Und ich vertraue auf mein Kind. Wir beiden sind ein eingespieltes Team. Immer wieder stoßen andere Menschen damit an die Grenzen ihres Verständnisses. Dann höre ich Aussagen wie: „Das arme Kind.“ oder „Wie leichtsinnig. Wie kann man nur als Behinderte Kinder bekommen.“ Ganz besonders hat mich folgende Aussage von zwei Frauen getroffen: „Wie kann man nur die Gesundheit des Kindes gefährden.? “ Auf Nachfrage, was genau sie denn meinte, bekam ich die Antwort, dass das Kind bestimmt auch erkrankt und ich doch so nur dem Staat zu Last falle. 
Am liebsten wäre ich den beiden Damen, mitten ins Gesicht gehüpft. Geht aber leider nicht. Ich musste 2 x schlucken und sagte dann: „Lieber hat man Sohn eine Kindheit in Liebe als mit so verbitterten Menschen.“

 Solch ein Urteil ohne den Hauch eines Hintergrundes zu kennen, macht mich wütend, traurig und sprachlos. 
Aber es gibt auch die positiven Erfahrungen, die Mut machen. Mitmenschen, die an mir vorbeifahren und sagen, wie toll sie das Rollstuhlkinderwagengefährt finden. Ein freundliches Lächeln mit den Worten: „Schau mal die zwei. Wie süß.“

Manchmal bekommen wir auch Hilfe angeboten. Einfach so. Hilfe können wir mittlerweile annehmen. Dies war ein Lernprozess. Aber unser ganzes Leben ist in diesem Prozess. Wir lernen Neues, verabschieden uns von Altem und bleiben offen. Offen für diese Welt und für das Leben. Für die Überraschungen und Herausforderungen, die es für uns bereit hält. Der nächste Bordstein, der zu hoch ist kommt bestimmt. Wir schauen einfach, wohin uns der Weg führt, den wir gehen (befahren) können. 


In unserem Ort sind wir als Familie angekommen. Natürlich wird es hier immer wieder neue Herausforderungen geben, aber ich bin zuversichtlich, dass wir dies gemeinsam schaffen können. 
Unser Alltag funktioniert ganz gut, im Großen und Ganzen unterscheidet er sich nur ein wenig von gesunden Eltern. Es gibt viele Kleinigkeiten, die das Leben etwas erschweren. Aber man gewöhnt sich daran und stellt sich darauf ein. Schließlich ist es unser Leben. An viele dieser Kleinigkeiten denkt ein Nichtbetroffener im ersten Moment nicht. Das verlange ich aber auch nicht. Ich möchte lediglich etwas sensibel machen, für die Belange der Rollstuhlfahrer im Alltag.

Mein Sohn geht momentan noch ganz unbefangen mit meiner Krankheit um, wie sich das in Zukunft entwickelt??? Ich habe keine Ahnung, aber ich freue mich darauf diese Erfahrungen mit anderen zu teilen. Denn sie werden mit Sicherheit nicht immer nur positiv sein. Angst habe ich momentan davor noch nicht. Ich würde mich aber freuen, wenn ich mich dann mit anderen (behinderten) Eltern austauschen kann. Eins habe ich in den letzten Jahren gelernt: Niemand ist alleine. Wir alle können voneinander profitieren, wir müssen uns nur trauen und von dem perfektionistischen Bild von Familie Abstand nehmen und anderen Hilfe und Unterstürzung anbieten und diese auch selbst annehmen können.

Aus diesem Grund möchte ich auch von Euch wissen: 
Was würdet Ihr gerne von mir wissen? 
Was kann ich Euch erklären? 
Habt Ihr in eurer Umgebung Eltern die eine Behinderung haben? 
Würdet Ihr Euer Kind einer Mama mit Behinderung anvertrauen?

So wie sich hier Stadtmama und Landmama unterscheiden, so unterscheide ich mich als wheelymum von den beiden. Aber eins haben wir alle gemeinsam. Wir lieben unsere Kinder!“

Tags: Rollstuhl, Behinderung, wheelymum, Vorurteile, Leben0Gastbeiträge

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