Ihr Lieben, wir wurden nach der Silvesternacht von Köln gefragt, warum wir uns dazu bei Stadt Land Mama gar nicht äußern, wir würden uns doch sonst auch mal zu Aktuellem positionieren. Es war nur in diesem Fall so: Uns fehlten die Worte. In den sozialen Netzwerken wurde so viel geäußert und ganz im Ernst, das war kein Meinungsthema, denn jeder musste das einfach furchtbar finden, was da passierte. Ganz logisch.
Nun gibt es ein neues Thema, das die Medien beherrscht und dabei geht es um ein von einem Satiriker vorgetragenes Gedicht. Ihr wisst, von wem ich spreche: Jan Böhmermann. In diesem Fall gibt es keine eindeutig logische Antwort wie zur Silvesternacht, in diesem Fall lohnt sich Meinung. Ich lese seit Tagen fast jeden Schnipsel darüber und nach jedem kann man sich erneut fragen: Wie stehe ich dazu? Und weil es eben in diesem Fall kein einfaches Schwarz-Weiß, sondern viele Zwischentöne und farbliche Nuancen gibt, ist das so spannend.
Ich habe etwas gebraucht, um mir klar zu werden, wie erschütternd ich finde, was da gerade passiert. Ich bin Journalistin, ich bin Bloggerin und deswegen betrifft das, was da gerade passiert, auch mich persönlich. Merkel hat Erdogan erlaubt, sich in unsere Angelegenheiten einzumischen. Und ich versuche es mal mit einem Vergleich, um klar zu machen, warum ich das so unsäglich finde.
Eine Mutter geht mit ihrem Kind auf einen Spielplatz. Das Kind tobt sich aus und in seinem Wildsein schaukelt es sich so hoch, dass es ungestüm wird – und einem anderen Kind seine Schippe auf den Kopf haut. Die Mutter ist sauer und beendet den Spielplatzbesuch (ZDF entfernt Beitrag aus der Mediathek). Einige Tage später jedoch klopft es an der Haustür. Die Eltern des Geschlagenen stehen vor der Tür und sind wütend und wollen Zutritt zum Kinderzimmer, um den „Schläger“ höchstpersönlich auszuschimpfen. Jede verlässliche Mutter würde sich jetzt im Türrahmen breit machen, den Wütenden den Zutritt verweigern und sagen. Ich kann Sie verstehen, aber ich kläre das lieber selbst mit meinem Sohn. Welche Mutter lässt die Wütenden rein, damit sie ins Kinderzimmer rennen und dem Kind ihre Meinung geigen können? Das Kind bleibt erschüttert zurück, weil es sich zu Hause (im eigenen Land) nicht mehr sicher fühlen kann, weil sich die Mama nicht schützend vor es gestellt hat, weil sie das zugelassen hat. Es verliert an Selbstbewusstein, an Vertrauen in seine Umgebung und wird vermutlich dadurch noch wütender.
So fühlt sich das für mich an. Selbstverständlich ist das viel zu einfach dargestellt, aber in den Wirren der Informationen hilft Vereinfachung eben manchmal, um einen Standpunkt klar zu machen. Merkel hätte die Chance gehabt, sich schützend vor ihren Mitbürger zu stellen. Das Gesetz, das sie ermächtigte, ja oder nein zu sagen, soll jetzt abgeschafft werden. Da es aber noch existiert, muss sie auch Gebrauch davon machen. So argumentieren die Entscheider. Das ist soweit nachvollziehbar. Sie hätte aber eben auch davon Gebrauch machen können, indem sie sagt: Ja, das Gesetz gibt es noch und deswegen sage ich: Nein, in unserem Land kümmern wir uns um unsere Angelegenheiten und lassen uns nicht von außen reinreden – auch nicht, wenn dann ein so genannter Flüchtlings-Deal in Gefahr geraten würde. Denn sollte dieser dadurch in Gefahr geraten, entlarvt es den Wütenden erst recht.
Ihr hört: Mich macht das sauer. Aber nachdem ich heute einen amerikanischen Artikel mit der Überschrift „Jokes about Erdogan aren´t funny in Germany“ las, dachte ich: Wow, welch fatales Signal mit dieser Entscheidung in die Welt geblasen wird. Wir kuschen. Das kann der Deal nicht wert gewesen sein. Die Presse- und Meinungsfreiheit darf nicht ins Wanken geraten, weil sich ausländische Autokraten in ihrer Ehre verletzt fühlen.
Empfehlung: Sehr verständlich erklärt Oliver Kalkofe, um was es im "Fall Böhmermann" geht und was schief gelaufen ist. Lieblingsstelle: Die Provokation war die Satire, NICHT das Gedicht.
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