Neulich war meine Geduld bereits um 8.34 Uhr aufgebraucht.
Ich hatte schlecht geschlafen, der Kleine hatte meinen Kaffee am Morgen umgeschüttet. Die Große hatte schlechte Laune, gab zickige Antworten und brauchte fünf Aufforderungen, um sich die Schuhe anzuziehen. Mir fiel das eine Kinderfahrrad auf den Fuß, musste meinen Sohn zwei Mal ermahnen, keine Blumen aus dem Nachbarsgarten abzurupfen. Ich sagte meiner Tochter mehrmals, sie solle nicht durch die Pfützen laufen, was sie trotzdem tat. Dann schubste sie den Kleiner, der ihr darauf hin mit einem Stock gegen das Bein haute.
Und da – 26 Minuten vor neun Uhr brüllte ich. Dass es mir reicht und jetzt Schluss ist – und all die anderen unsinnigen, emotionalen Sachen, die man eben so brüllt, wenn man mal brüllt.
Dann blickte ich mich um und sah, dass eine andere Mutter nur etwa 10 Meter hinter mir stand. Diese Frau ist wirklich unheimlich nett und gehört zu meiner innerlichen Top 3 der geduldigsten Mütter. Sie lächelte mich an, sagte nichts und ging weiter.
Ich schämte mich, weil ich von einer anderen Mutter erwischt worden war, wie ich meine Kinder anschrie. Und ich schämte mich, dass ich mich schämte, dass ich von einer Mutter erwischt worden war – und dass ich mich nicht etwa schämte, weil ich die Kinder angeschrien hatte.
Nachdem ich die Kinder zur Kita gebracht hatte, begegnete mir diese Mutter wieder. „Na, da hast Du mich heute mal bei einer meiner Erziehungs-Glanzleistungen gesehen“, sagte ich scherzhaft und immer noch peinlich berührt. Und dann – ganz plötzlich – öffnete diese andere Mutter mir ihr Herz. Sie sagte, wie schwierig es zu Hause bei ihr sei. Sie sei überfordert durch ihren anstrengenden Job und die zwei lebhaften Jungs. Sie könne so schlecht schlafen, weil sie nachts ständig Listen aufstelle, was sie alles noch zu tun habe.
Und mir fiel es wieder wie Schuppen von den Augen: Wir Mütter sind uns einfach so ähnlich. Die anderen haben auch Probleme. Bei denen läuft auch nicht alles rund. Auch die haben mal schlechte Tage und Wäscheberge im Keller.
An einem anderen Tag traf ich eine Frau, die ich beruflich sehr bewundere. Ich hatte sie persönlich vorher noch nie gesehen, in meiner Vorstellung war sie taff, nahezu unfehlbar, immer zu Höchstleistungen motiviert und dabei gut gelaunt.
Dann beobachtete ich sie. Sie wirkte nervös und müde. Und als wir mit einander sprachen, merkte ich, dass sie gar nicht so souverän ist, wie ich dachte. Noch immer bewundere ich sie für das, was sie beruflich leistet. Aber ich merkte: Die macht das auch nicht einfach so nebenbei. Es strengt sie auch an. Sie ist auch kein Übermensch.
Nicht, dass ich falsch verstanden werde. Ich freue mich nicht über eventuelle Unsicherheiten von anderen Frauen – es zeigt mir nur, dass alle anderen auch nur mit Wasser kochen.
Ganz generell kämpfe ich immer wieder gegen das Gefühl, dass andere alles viel besser können als ich. Ich weiss noch, dass ich früher oft davon träumte, dass mein Chef auf mich zu kommt und sagt, ich sei nicht qualifiziert genug. Ich war immer schlecht bei Gehaltsverhandlungen, worüber ich mich heute schwarz ärgere. Langsam werde ich selbstsicherer, kenne meinen Wert und traue mich dafür einzustehen.
Ich glaube, dass das eine der wichtigsten Lektionen im Leben ist. Vetrau auf Dich selbst. Du hast Stätken und Du hast Schwächen - wie jeder andere auch. Sei nicht so streng mit Dir. Du bist kein Roboter, Du darfst Fehler machen, Du darfst mal müde sein und genervt. Aber: Du bist auch stärker als Du meinst. Rappel Dich auf, fass neuen Mut und erobere die Welt.
PS: Dieses Foto entstand im Italienurlaub. Hach, da sehe ich doch echt ganz happy aus. Haben sich die Kids wahrscheinlich gerade mal fünf Minuten nicht gezofft :-)
Tags: Mutterschaft, Kinder, Familie, Frau, Erfolg, Beruf, Geduld0Stadtleben