Liebe Lisa, ich schreibe diese Zeilen aus dem Erzieherraum der Kita. Mein Kleiner hat die zweite Woche Eingewöhnung und gerade sind wir bei einer Stunde Trennung. Die Eingewöhnung meiner Großen ist noch gar nicht sooooooo lange her und trotzdem kommt es mir wie eine Ewigkeit vor.
Während ich also täglich so herumsitze, denke ich plötzlich an meine eigene Kitazeit. Wobei es das Wort Kita bei mir noch gar nicht gab. Ich bin in den Kindergarten gegangen und zwar, als ich drei Jahre alt war. Meine Mutter brachte mich zwischen halb neun und neun Uhr hin und holte mich zum Mittagessen wieder ab, ab und zu blieb ich auch zum Mittagessen dort - jedoch fast nie zum Mittagsschlaf oder gar nachmittags. Die Nachmittage verbrachte ich bei uns in der Straße mit anderen Kindern oder im Garten mit meinen Geschwistern. Das ging natürlich nur, weil meine Mutter zu Hause war, nachmittags nicht arbeiten ging. Das Kuriose: Es gab so gut wie keine Kinder, die nachmittags in den Kindergarten gingen. Alle Mütter waren zu Hause.
Unsere Leserinnen aus dem Osten Deutschlands werden jetzt vielleicht entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen schlagen. Aber ich bin im tiefsten Franken aufgewachsen, in einer Kleinstadt voller Beamter, da waren Vollzeit arbeitende Mütter eine Seltenheit.
Ich erinner mich, dass in meiner Grundschulzeit nur ein Mädchen war, das ein sogenanntes Schlüsselkind war. Ihre Mutter war alleinerziehend und ging vollzeit arbeiten. Für mich war das unfassbar, dass meine Klassenkameradin nach der Schule alleine zu Hause war, sich das Essen aufwärmte, Hausaufgaben machte und wartete, bis ihre Mutter nach Hause kam. Ich glaube sogar, dass auch die Lehrer diese Vorstellung so abstrus fanden, dass sie stets mit einer Mischung aus Mitleid und hochgezogenen Augenbrauen über diese Familie Sprachen.
Für meine Mutter wäre undenkbar gewesen, eins ihrer Kinder mit 13 Monaten in die Kita zu geben, während es für mich jetzt völlig normal ist. Auch der Wunsch, nach einem Jahr Elternzeit wieder in den Job einzusteigen, wäre zu meiner Kindheit nicht " normal " gewesen.
Und jetzt frage ich mich: Liegt es daran, dass ich in Berlin wohne? Letztens habe ich ein Interview mit einer Paartherapeutin geführt, die meinte, dass besonders in Großstädten Frauen sehr schnell zurück in den Job gehen, weil dort der Druck a la "Waaaas, du gehst noch nicht wieder arbeiten?" am Höchsten ist. Und tatsächlich kenne ich kaum eine Frau, die nicht spätesten 1,5 Jahre nach der Geburt wieder arbeiten gegangen ist.
Oder liegt es gar nicht am Wohnort? Sondern einfach daran, dass wir eine andere Generation sind? Dass wir hart für unsere Jobs gekämpft haben und unsere Erfolge nicht zwischen den Windelbergen beerdigen wollen?
Und besonders interessant: wann fand dieser Wechsel statt? Wann genau wurde es normal, die Kinder mit 12 Monaten in die Kita abzugeben? Wie fühlten sich die ersten Frauen, die einen anderen Weg gingen als alle anderen?
Zurück zu der Eingewöhnung meines Sohnes: Er macht das prima. Ich kann ihn gut loslassen - das konnte ich bei meiner Tochter auch. Mit dem Unterschied, dass sie innerhalb von zwei Wochen eingewöhnt werden musste, weil ich wieder arbeiten gehen musste...
Bei meinem Kleinen jetzt ist es einfacher, weil ich ja mittlerweile selbstständig bin, mir gut einteilen kann, wann ich arbeite.
Und trotzdem ist es natürlich ein Abschied. Von 13 Monaten symbioseartigem Zusammenleben. Ich glaube, der Kontakt mit Gleichaltrigen wird ihm gut tun. Und auch ich freue mich über einen Vormittag, an dem ich in RUHE arbeiten kann.
Drück uns die Daumen, dass alles weiterhin gut läuft.
PS: Heute sind beide Kids übrigens zu Hause - in Berlin wird gestreikt!